Neues aus dem Verein

"Sacred Sound - Sacred Space - auf der Suche nach dem verlorenen Klang".
Prof. Dr. Stefan Morent referiert im Anschluss an die Mitgliederversammlung 2025

Prof. Dr. Stefan Morent bei seinem Vortrag in Hirsau

Ein Ton – und sei er noch so ‚heilig‘, also ‚sacred’ -, ist, sobald einmal verklungen, auf immerdar verschwunden. Er lässt sich nicht greifen sondern nur im Augenblick seines Ertönens genießen. Danach ist er für immer verloren. Wirklich für immer?
Nicht unbedingt, wie Prof. Dr. Stefan Morent in seinem Vortrag im Anschluss an die Mitgliederversammlung des Vereins am 23.5.2025 eindrucksvoll nachwies.
Prof. Dr. Morent ist Inhaber des Lehrstuhls für Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Musikwissenschaft und Musik vor 1600 an der Universität Tübingen und in Hirsau kein Unbekannter. Des Öfteren bereits war er mit seinem Ensemble „Ordo virtutum“ in St. Aurelius zu Gast und entführte die Zuhörer mit wunderbar vorgetragenen gregorianischen Chorälen und Gesängen ins 11. Jahrhundert.
„Wir wissen nicht, wie der Gesang der Mönche in Cluny, Maulbronn oder Hirsau tatsächlich geklungen hat“, so Prof. Morent. „Wir waren nicht dabei.“ Doch genau diese Frage beschäftigt ihn seit einigen Jahren in einem Forschungsprojekt an der Uni Tübingen: Ist es möglich, den Klang in diesen Klosterkirchen nachzubilden?

Das Problem: die Gebäude existieren zu einem Großteil nicht mehr, wie in Cluny oder Hirsau, oder wurden seither umgebaut, wie in Maulbronn. Man kann also nicht einfach da hingehen und singen.
Da jedoch Prof. Morent nicht nur Musikwissenschaften, sondern auch Informatik studiert hat, lag die Lösung im Ausschöpfen der Möglichkeiten dieser modernen Wissenschaft. Man wollte – in Ermangelung eines realen Sakralraums – einen virtuellen Raum schaffen, diesen also akustisch und visuell so simulieren, dass das Raumerlebnis einem real vorhandenen Kirchenraum möglichst nahe kommt.

Zu diesem Zweck wurde zunächst mit Unterstützung des Instituts für Hörtechnik und Akustik der RWTH Aachen ein akustischer Scan der Klosterkirche in Maulbronn erstellt. Mit diesem Klangmodell kann dann im Computer realer Gesang von „Ordo virtutum“, der in einem sogenannten schalltoten Raum aufgenommen wurde, kombiniert werden. Auf diese Weise erhält man also ein virtuelles Klangerlebnis, wie es in der Klosterkirche Maulbronn klingen würde. Dieses nun verglichen mit dem realen Gesang von „Ordo virtutum“ in Maulbronn lässt eine Aussage über die Qualität des virtuellen Modells zu: je ähnlicher, desto besser.
Das Ergebnis dieses Vergleichs war äußerst vielversprechend, sodass nun der nächste Schritt, das Erstellen des Akustikmodells einer nicht mehr existierenden Kirche, angegangen werden konnte.

Ausgewählt wurde hierfür die Klosterkirche von Cluny III, das damals größte Kirchengebäude der Welt. Da die Materialien und die Architektur dieses Sakralbaus bekannt sind, konnte das Akustikmodell entsprechend angepasst werden. Wieder begaben sich die Sänger von „Ordo virtutum“ in den schalltoten Raum und per Computer wurde ihr Gesang mit dem Akustikmodell von Cluny III verknüpft. Das Ergebnis: ein atemberaubendes Erlebnis nicht nur für die Sänger, die optisch und akustisch das Gefühl hatten, in Cluny III zu singen, sondern auch für die Zuhörer, die nun erstmals einen Eindruck davon gewinnen können, wie damals im 11. Jahrhundert der Gesang der Mönche in Cluny vermutlich geklungen hat.

Das akustische Modell von Cluny III

Insgesamt also eine äußerst spannende Verknüpfung von alter Musik mit neuester Technik.

Einen Eindruck seiner spannenden Arbeit vermittelt übrigens auch der Beitrag in der ARD Mediathek.
Die zahlreichen und fachkundigen Fragen an Prof. Morent im Anschluss an den Vortrag zeigten das große Interesse der Zuhörerschaft an diesem faszinierenden Thema. Prof. Morent wird am 27. September 2025 erneut in Hirsau zu Gast sein, um dann mit der „Schola Cantorum am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Tübingen“ einen Gottesdienst in St. Aurelius zu begleiten. Wir freuen uns schon jetzt auf ein musikalisches Highlight.